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Dopingkontrolle Sonntag, der 09. Juni 2001, Wettkampf in Oelde. Dort finden die diesjährigen NRW Masters- Meisterschaften im Schwimmen statt. Früh geht es los, denn 8:15 Uhr ist bereits Einlass im Oelder Freibad. Wettkampfbeginn ist 9.30 Uhr.
Kalt ist es an diesem Wochenende. Man ist nicht nur mit Schwimmen beschäftigt, nein, auch mit dem An- und Ausziehen der Sportsachen. 50 m Schmetterling Frauen ist der erste Wettkampf. Danach kommen 50m Freistil. Mein erstes Rennen für den heutigen Tag.

Startpfiff, auf geht's! Eine Bahn muss geschwommen werden, danach schnell wieder in die warmen Sachen, schließlich kommen ja noch ein paar Rennen für mich. Am Ziel angekommen, war ich zunächst einmal zufrieden mit mir: vom Start gut weggekommen (keine Panne, kein Frühstart), nicht eingebrochen und der Anschlag hat auch gestimmt. So, seitwärts aussteigen, nicht über die Anschlagmatte hinausklettern.

Aufforderung zur Dopingkontrolle
"Sind Sie Silke Thoms?"
"Ja."
"Dopingkontrolle! Unterschreiben Sie mir hier bitte, dass Sie innerhalb der nächsten halben Stunde zur Dopingkontrolle erscheinen."
Vor lauter Aufregung ist einem gar nicht kalt. Viele Gedanken hat man jetzt auf einmal: Dopingkontrolle! Oh, wie gut, dass du dein Attest wieder eingepackt hast (Gestern mussten die Pässe mit den Wertmarken und dem Sportgesundheitspass abgegeben werden. Und wer nimmt schon gern Pässe mit, die nur belastend sind?)
Bloß keinen Kaffee mehr trinken, um warm zu werden. Hast zu Hause zwei Tassen Kaffee getrunken. Und auf Toilette gehen wir jetzt am besten auch nicht, sonst kommt gleich nichts mehr. Dabei könnte ich jetzt ganz gut zur Toilette gehen. Mache ich ja immer nach einem Rennen. Ruhe behalten! Zunächst einmal ziehst du dir trockene Sachen an, dann nimmst du dein Attest und den Handzettel, den dir der junge Mann in die Hand gedrückt hat. Dort steht drauf, dass ich mich spätestens um 10:20 Uhr (also innerhalb der nächsten halben Stunde) im Dopingraum einfinden muss. Ach, wo war noch gleich der Raum. Ich habe es vergessen! Einer wird es schon wissen und wird mir weiter helfen.
Klopf, klopf! "Ich sollte mich hier zur Dopingkontrolle melden." "Kommen Sie in 10 Minuten noch mal wieder. Wir sind hier noch nicht soweit."

Abnahmeprozedur
10 Minuten später. "Sie müssen diesen Becher hier bis zum Strich füllen. 75ml, eine Tasse Kaffee ungefähr."
Mit dem Becher in der Hand stehe ich auf der Behinderten-Toilette, eine Frau steht mit in diesem Raum. Jeder hat seine Aufgabe. Ich soll den Becher bis zum Strich mit Urin füllen, und die Frau soll dabei zuschauen. Für beide sicher eine unangenehme Situation. Da nützt jetzt alles nichts. Ich versuche mein Glück. Ein paar Tropfen kommen auch, aber leider nicht bis zum Strich. Komisch, dabei habe ich das Gefühl, ich muss dringend auf Toilette. Warum kommt bloß nichts? Ich frage nach Wasser. Immer noch sitzen wir beiden Frauen auf der Behinderten-Toilette und warten, dass ich den Becher bis zum Strich füllen kann. Es will einfach nicht klappen. Wir verkürzen die Wartezeit mit einem kleinen Gespräch. Wobei ich erfahre, dass sie das auch zum ersten Mal macht. Gestern war sie im Protokollraum tätig. Doch heute Morgen kam man auf sie zu und erklärte ihr ihren neuen Posten als Dopinghelferin. Plötzlich kommt mir der Gedanke, dass der Wettkampf ja weiter läuft. Ich frage, ob sie mal schauen könnte, wie weit der Wettkampf ist.
Ich habe noch etwas Zeit, bis mein nächstes Rennen startet. Der Dopingbeauftragte erklärt mir, dass wir auch unterbrechen können. OK, dann möchte ich es zu einem späteren Zeitpunkt weiter versuchen. Und jetzt geht es eigentlich erst richtig los.
Bevor ich den Raum verlassen konnte, mussten wir ein Dopingprotokoll ausfüllen. Dabei legte ich mein ärztliches Attest vor. "Dieses Medikament nehmen sie? Das steht auf der Dopingliste, wissen Sie das?" "Nein!" "Haben Sie das dem DSV mitgeteilt, dass Sie dieses Medikament nehmen?" "Dafür habe ich doch das Attest bei mir." "Das reicht nicht aus. Kennen Sie nicht die Antidopingbestimmungen?" "Ich habe zwar auf dem WK-Pass unterschrieben, dass ich sie kenne, aber gesehen habe ich nie eine."
"Kopieren sie mir bitte das Attest. So jetzt brauchen wir noch ein zwei Mark-Stück für den Schrank, damit wir ihren Becher einschließen können." Ich hatte ein Zwei-Mark-Stück in meiner Trainingshose. "So, stellen sie hier den Becher rein, aber vorher kontrollieren Sie die Nummer auf dem Becher. Die Nummer muss mit der hier auf Ihrem Zettel identisch sein. Vergleichen Sie noch mal den Schlüssel mit der Schranknummer. Den Schlüssel nehmen Sie jetzt mit, und wenn Sie meinen, Sie wollen weitermachen, kommen Sie mit dem Schlüssel wieder, damit wir an Ihren Becher kommen."
Als ich aus diesem Raum kam, holte ich erst mal tief Luft. Was macht der Wettkampf? Ein bisschen Zeit habe ich noch, bevor ich zum nächsten Rennen muss. Kopieren! Wo kann ich das am besten machen? Protokollraum! Die können mir sicher mein Attest kopieren.
"Mach dir keine Sorgen! Du hast alles richtig gemacht!" (sagte eine Schiedsrichterin zu mir) "Was machst du die ganze Zeit? Siegerehrung hast du gleich. Übrigens, ich bin zweite geworden." "Glückwunsch!" Vom Wettkampf habe ich seit meinem 50m-Freistil-Rennen nichts mehr mitbekommen.
Nach dem nächsten Wettkampfrennen ging wieder alles von vorn los. Umziehen! Toilettengang unterdrücken, schließlich muss ich das unter Zeugen machen. Schlüssel, Fotokopie und den Handzettel mitnehmen, wo geschrieben stand, wann ich den Dopingraum verlassen hatte. Im Dopingraum Schrank aufschließen, Becher herausnehmen und ganz wichtig: Nummer vergleichen.
Auf ein Neues! Diesmal klappte es besser hinter verschlossener Tür, mit der fremden Frau, die eigentlich gar nicht mehr so fremd war. Der Becher war bis zum Strich gefüllt. (Mir kam es übrigens mehr vor als eine Tasse Kaffee. Aber es war tatsächlich nicht mehr! Zu Hause habe ich es noch mal kontrolliert.) So, Becher wieder schön verschließen, abgeben und das war es dann. Denkste!
Nun musste ich noch aus einer größeren Anzahl einen durchsichtigen Plastikbeutel wählen, mit je einem grünen und einem gelben (Versapak) Container. Die Glasbecher und Container sind mit vorgeprägter Code-Nummer (grün für die A-Probe, gelb für die B-Probe) gekennzeichnet. Den Deckel vom Urinbecher (wo wir zunächst den Urin sammelten) wieder aufmachen, den man zuvor mühsam geschlossen hatte. Nun musste der Urin in die beiden Glasbecher zu gleichen Teilen gefüllt werden. Auf Grund meines eingenommenen Medikaments behielten wir einen kleinen Teil des Urins zurück. Damit der ph-Wert (gibt die saure-alkalische Reaktion einer Lösung an) und das spezifische Gewicht bestimmt werden konnten. Die beiden Glasbecher wurden kunstgerecht verschlossen. Das heißt, den Becher auf den Kopf drehen und einige Zeit auf dem Kopf stehen lassen, um zu sehen, ob der Deckel dicht abschließt. Die Becher waren dicht. Nun wurden die Becher nochmals mit der Nummer auf dem Protokoll verglichen und in einen Plastikcontainer gegeben. Beim Verschließen dieser Container ist die Urinprobe gleichzeitig verschlossen und versiegelt (verplombt). Wer auch immer diese Container öffnet, es ist für andere sichtbar.
Immer wieder kontrollierten wir die Codenummer. Die Übereinstimmung der Code-Nummer auf den Glasbechern, den Plastikcontainern und im Protokoll. Im Protokoll werden ferner die Medikamenteinnahmen der letzten Tage aufgeführt. Nochmals ging man das Dopingprotokoll durch. Zum Schluss bestätigte ich durch meine Unterschrift die Korrektheit der Eintragung und des Abnahmeverfahrens. Das Protokoll wurde ferner vom Dopingbeauftragten unterschrieben. Anschließend bekam ich eine Durchschrift des Protokolls.
Hätte ich am Nachmittag zur Dopingkontrolle gemusst, hätte ich nur Wasser abgeben können. Soviel hatte ich getrunken, damit ich bloß den Becher bis zum Strich füllen konnte.

Der Wettkampf dauerte dann noch gut 20 Minuten, bevor es zur Mittagspause ging. Meine Vereinskameraden fuhren bereits nach Hause. Sie waren mit ihrem Wettkampf fertig. Am Nachmittag schwamm ich dann noch die Lagen und fuhr anschließend nach Hause. Wochen vergingen, bis ich wieder etwas von der Dopingkontrolle hörte.

Die Dopingkontrollbeauftragten forderten mich auf, Stellung zu nehmen. Ein aktuelles Attest, sowie eine Erklärung der Anwendung aus medizinischen Gründen und die Beantwortung der Frage, ob ich die Einnahme des Arzneimittels unverzüglich dem Schiedsrichter der Veranstaltung schriftlich mitgeteilt habe.

Meines Wissens habe ich alles richtig gemacht.

Außer dem Schwimmpass mit der Sporttauglichkeit und der Wertmarke brauchte ich zusätzlich ein Attest vom Arzt, der mir bestätigt, dass ich ein Asthmamittel einnehmen muss, da ich unter Belastungsasthma leide. Das alles zusammen legte ich bereits am Samstag zum Wettkampfbeginn dem Startordner vor. Der hatte auch keine Beanstandung, als ich den Pass mit dem Attest später wieder abholte.
Was ich nicht wusste und was anscheinend nicht nur mir unbekannt war, ist, dass ich vor Wettkampfbeginn die Einnahme meines Medikamentes dem Schiedsrichter schriftlich mitteilen musste. Dies hörte ich zum ersten Mal.
Da ich unter Belastungsasthma leide und ich mit diesem Leiden vor längerer Zeit zu meinem Hausarzt gegangen bin, verschrieb er mir dieses Medikament mit dem Hinweis, kurz vor einer Belastung das Medikament einzunehmen. Ich ließ mir durch ein Attest von meinem Hausarzt die Einnahme bestätigen. Meines Wissens reichte dies aus, um an Wettkämpfen teilzunehmen, ohne die Antidopingbestimmungen zu verletzen.
Ich wusste weder, dass dieses Medikament auf der Dopingliste steht, noch, dass es andere Medikamente dafür gibt. Darüber klärte mich der Dopingbeauftragte auf. Er sagte mir zwar, dass mein Asthmamittel auf der Dopingliste steht, nannte mir aber leider auch keine Alternativen.
Da mein Attest Ende Juni auslief und ich ein neues Attest benötigte, ging ich wieder zu meinem Hausarzt und fragte nach einer Alternative. Leider konnte er mir aber nicht weiterhelfen, da er über keine Dopingliste verfügte.

Ich ging immer noch von einem Irrtum aus.

Meines Wissens habe ich alles richtig gemacht!

Ergebnis
Nur ein paar Wochen später kam das Entsetzen. Wettkampfsperre für ein halbes Jahr. Ein Entscheidungsgrund war folgender: Ich wollte und konnte das so nicht akzeptieren und ging zu einem Sportmediziner. Mit seinem Einsatz habe ich verstanden, was bemängelt wurde.
In meinem Medikament ist ein Wirkstoff enthalten, bei dem ein ärztliches Attest nicht mehr ausreicht.
Heute habe ich in meiner Schwimmtasche immer das ärztliche Attest dabei sowie mein zulässiges Asthmaspray.

Was weiß ich heute?